Reviews A-Z
Home 
Über uns 
Reviews A-Z 
Konzerte 
Fotos 
Archiv 
Videos 
B-Board 
Umfragen 
Links 
Kontakt 

 

gazpacho tick tock progressiv metal rock music online mag dream theatre dream theater

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Künstler: Gazpacho

Album: Tick Tock

Erscheinungsjahr: 2009

Anspieltipp: Gesamtkunstwerk

Autor: Markus

Viele Vertonungen literarischer Vorlagen verschrecken - auch jenseits des derzeit wieder häufiger im Fokus des Musikjournalismus stehenden Progressiv Rock Genres -  durch die Zuhilfenahme besonders kopflastiger, dem geschriebenen Wort geschuldeter Songstrukturen und Arrangements, eine beträchtliche Anzahl von Zuhörern. Es gelingt ihnen weder eine adäquate Umsetzung des schriftstellerischen Werkes auszudrücken, noch – losgelöst vom lyrischen Konzept - auf rein musikalischer Ebene zu überzeugen. Anders verhält es sich mit Gazpachos nunmehr fünftem Album „Tick Tock“, das sich konzeptionell mit dem Reisebericht „Wind, Sand und Sterne“, einem Buch des französischen Fliegers und Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry, auseinandersetzt. Der Inhalt selbigen Werkes lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Saint-Exupéry unternimmt im Jahre 1935 mit seinem Flugzeug den Versuch, einen bestehenden Langstreckenrekord auf der Strecke Paris-Saigon zu brechen. 200km westlich von Kairo scheitert das ambitionierte Vorhaben. Der Autor muss in der Sahara notlanden und sich fortan auf die quälende Suche nach einer Siedlung in der Wüste begeben. Nach fünf Tagen wird er - kurz vor dem Verdursten - von Beduinen gerettet.

Gazpacho gelingt es  auf „Tick Tock“ spielend leicht, die vielfältigen Eindrücke und Emotionen des Protagonisten in die Welt des Klanges zu transferieren. Euphorie, Hoffnung, Verzweiflung, Aufgabe – es gibt  kaum Sinneswandlungen, die hier nicht vertont werden. Das für Progressiv Rock Verhältnisse beinahe aufbrausend daherkommende Eröffnungsstück „Desert flight“, suggeriert die Vorfreude Saint-Exupérys auf den Rekordversuch und lässt außerdem  Gedanken an die Turbulenzen während des Fluges und den rabiaten Aufprall in der Wüste aufkommen. Besonders auffällig tritt gleich zu Beginn Aunahmevokalist Jan-Henrik Ohme in Erscheinung, der hier noch kraftvoll und euphorisch klingt, im Verlaufe des Albums jedoch immer mehr zu einer fragileren Gesangsperformance übergeht. Auf Albumdistanz gesehen bekommt es der Konsument mit einer der begnadetsten Gesangsleistungen der letzten Jahre zu tun.

Das sich übergangslos anschließende, zweigeteilte „The walk“ stellt die Vertonung des endlos erscheinenden Marsches durch die Wüste dar und wartet mit diversen musikalischen Gourmethäppchen wie der Verwendung orientalischer Instrumente auf. Nicht zuletzt durch derartige Einsprengsel gelingt es der norwegischen Formation mit ungeahnter Leichtigkeit, den Konsumenten vor der heimischen Stereoanlage zu fesseln. Tatsächlich wird dem Zuhörer nicht auf musikalische Weise über die Sahara berichtet, er steht geradezu inmitten der Wüste.

Mit dem vierteiligen – durch das beständige Ticken einer Uhr (als Metapher für den in der Einsamkeit des Ödlandes ertönenden Herzschlag des Protagonisten) - verbundene Titelstück legen Gazpacho sodann die wohl am meisten ambitionierte Ausarbeitung des Albums vor. Insbesondere der am Ende des ersten Teils ertönende finstere Choral soll hier Erwähnung finden, um zu verdeutlichen mit wie viel Liebe zum Detail hier eine authentische Stimmung konzipiert wird: Saint-Exupéry quält sich mit schwindenden Kräften durch den Sand, verliert bisweilen jegliche Hoffnung auf Rettung, durchlebt gar Halluzinationen, ehe er sich schlussendlich noch einmal gegen den nahenden Tod durch Verdursten stemmt.

In der abschließenden – die Rettung des Schriftstellers durch die Beduinengruppe und die sich ihm aufs Neue offenbarenden Schönheiten des Lebens - thematisierenden Ballade  „Winter is never“ wird eine gelöst friedfertige Stimmung erschaffen. Mit nicht einmal fünf Minuten Spielzeit hat es der Konsument hier mit dem kürzesten Stück des Albums zu tun; das einzige wohl das sich auch als Singleauskopplung eignen würde. Wiederum ist es Jan-Henrik Ohme, der mit seinem eindrucksvollen – hier bisweilen ins falsettartige abdriftenden – Organ beeindrucken kann.

Insgesamt ist der Wert eines zwar konzeptionell gebundenen, zu keinem Zeitpunkt jedoch konstruiert wirkenden Albums wie „Tick Tock“ in der heutigen schnelllebigen Zeit unermesslich, insbesondere wenn ich mir überlege, mit wie viel am Reißbrett entworfenen Soundmüll der gemeine Musikfreund Monat für Monat konfrontiert wird…

 

[Home][Über uns][Reviews A-Z][Konzerte][Fotos][Archiv][Videos][B-Board][Umfragen][Links][Kontakt]

Copyright (c) 2004. Alle Rechte vorbehalten.

tobias.dohle@reviewlution.de